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SCHADSTOFFE/085: Gülleüberschüsse gefährden die Gewässerqualität und unsere Gesundheit (PROVIEH)


PROVIEH Ausgabe 03/2012
Magazin des Vereins gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V.

Gülleüberschüsse gefährden die Gewässerqualität und unsere Gesundheit

von Ulrike Behre



Wasser ist eine der wertvollsten Ressourcen dieser Erde. Daher müssen die Gewässer Europas geschützt werden. Das beschloss die EU in der europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL 2000/60/EG), die im Jahr 2000 in Kraft trat. Nach ihr sollen in der EU alle Oberflächengewässer, also Flüsse, Seen, Kanäle, Küstengewässer und das Grundwasser bis 2015 in gutem Zustand sein. Die EU-Länder verpflichteten sich, die Richtlinie in ihre nationale Gesetzgebung zu integrieren und im vorgeschriebenen Zeitplan eine Bestandsaufnahme über ihre Gewässer anzufertigen. Die Analyse des Zustands sowie eine darauf basierende Erstellung von Bewirtschaftungs- und Maßnahmenplänen mussten bereits bis 2009 abgeschlossen sein. Deutschland scheint die Umsetzung der Richtlinien für nicht erstrebenswert zu halten und bummelte. Die Folge: Trotz mehrfacher Mahnungen seitens der EU-Kommission wird Deutschland nun wegen fortgesetzter Verletzung der WRRL vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt. Der Vorwurf lautet: Deutschland setze die Richtlinie nur teilweise um.


Massentierhaltung verschärft Überdüngungsproblematik

Die Oberflächengewässer und das Grundwasser befinden sich in Deutschland noch überwiegend in einem Zustand, der es nicht erlaubt, die Ziele der EU-Richtlinie bis 2015 zu erreichen. Laut einer Broschüre des Umweltbundesamtes (UBA) aus dem Jahr 2010 befinden sich lediglich zehn Prozent der Oberflächengewässer in einem sehr guten oder guten ökologischen Zustand. Besorgniserregend ist auch der Zustand der Grundwasservorkommen: 37 Prozent davon wird kein guter Zustand attestiert.

Als ein Hauptgrund wird die fortwährende landwirtschaftliche Verschmutzung angeführt. "Die Gewässer werden vor allem durch Düngemittel belastet, die zu 77 Prozent aus der Landwirtschaft kommen", sagte der UBA-Präsident Jochen Flasbarth am 01. Februar 2011 in der ZDF-Sendung Frontal.

Früher wurden Jauche und Mist aus der Viehhaltung auf den Feldern in der direkten Umgebung der Bauernhöfe als natürlicher Wirtschaftsdünger eingesetzt. Heutzutage gibt es fast nur noch die Gülle (Gemisch aus Harn und Kot), die aus viel größeren Viehbeständen stammt und oft nur teilweise als Dünger auf die Felder des Betriebs ausgebracht werden kann. Es bleiben also Gülleüberschüsse, die entsorgt werden müssen. Für diesen Zweck wurde vor einigen Jahren die sogenannte "Güllebörse" eingerichtet, an der Tierhalter ihren Gülleüberschuss an andere Landwirte verkaufen können, die zu wenig oder - mangels Viehbestands - gar keinen betriebseigenen Wirtschaftsdünger haben. Doch der Haken ist, dass dieser Handel nicht kontrolliert wird. Unbekannte Mengen an Gülle können deshalb auch weiterhin auf Nutzflächen stark belasteter Gebiete landen, ohne dass sie von den Pflanzen und Böden aufgenommen werden können. Also sickert der Gülleüberschuss ins Grundwasser oder wird bei Regen in die Flüsse, Seen und Meere gespült. Die Wirkungen sind in beiden Fällen verheerend.


Hohe Nitratwerte im Grundwasser gefährden die Gesundheit

Wenn Gülleüberschüsse ins Grundwasser gelangen, verliert dieses seine Eignung als Trinkwasser. Also gibt es in belasteten Regionen Probleme bei der Trinkwasserversorgung. Diese Probleme müssen ernst genommen werden, denn das Nitrat aus der Gülle wird im Körper von Menschen und anderen Säugetieren zu Nitrit umgewandelt, das den Sauerstofftransport im Blut verschlechtert. Das kann besonders für Säuglinge gefährlich werden. Außerdem entstehen Nitrosamine, die als krebserregend gelten. Einen Hinweis auf die Risiken geben die gehäuften Krebserkrankungen in Gebieten mit besonders hoher Nitratbelastung. Laut Antwort der Bundesregierung (13/7110) auf eine Anfrage der SPD (13/6803) gibt es auch einen Zusammenhang zwischen der Nitratbelastung des Trinkwassers und der Jodmangelkrankheit: Nitrat kann die Jodaufnahme in der Schilddrüse behindern.

In Deutschland liegt der Grenzwert für Nitrat im Trinkwasser bei 50 Milligramm pro Liter (in der Schweiz bei nur 25 mg/l), wird oft aber nicht eingehalten: Werte von über 150 mg/l wurden unter anderem in Gebieten Niedersachsens und Nordrhein-Westfalens gemessen, also in Regionen mit hoher Viehdichte. Betroffen sind auch Teile der neuen Bundesländer, wo es besonders intensive Landwirtschaft und viele Tierfabriken gibt. Einmal kontaminiertes Grundwasser ist schwer zu reinigen. Deshalb werden die negativen Folgen der Trinkwasserverschmutzung noch über Jahrzehnte nachweisbar sein.


Überdüngung eutrophiert Oberflächengewässer

In Flüssen, Seen und Meeren führt der Überschuss an ausgebrachter Gülle zu "Eutrophierung", das heißt zu einer Übersättigung mit Pflanzennährsalzen. In einem solchen Milieu können Algen wuchern und als Algenpest jegliches aerobe Leben (an die Verfügbarkeit von Sauerstoff gebunden) abtöten. Dann können sich nur noch anaerobe Bakterien vermehren, für die Sauerstoff Gift ist und die gefährliche Faulgase bilden: Das Gewässer "kippt um". Dieses Phänomen wird regelmäßig an zahlreichen deutschen Badeseen beobachtet, aber auch in tieferen Zonen von Binnenmeeren wie der Ostsee. "Wasser ist keine übliche Handelsware, sondern ein ererbtes Gut, das geschützt, verteidigt und entsprechend behandelt werden muss." So steht es in der Wasserrahmenrichtlinie. Aber die Regierungschaut weg. Hoffentlich bringt die EU-Klage Deutschland auf Trab. Markttaugliche und schnell umsetzbare Vorschläge zur Eindämmung der Gülleproblematik gibt es jedenfalls genug.

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Quelle:
PROVIEH Ausgabe 03/2012, Seite 6-7
Herausgeber: PROVIEH - Verein gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Dezember 2012