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SCHUTZ/088: China - Erfolg lokaler Initiative gegen industrielle Wasserverschmutzer (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 152 - Oktober/November 09
Die Berliner Umweltzeitung

David gegen Goliath
Wie eine lokale Umweltschutzorganisation in China drei industrielle Wasserverschmutzer in die Knie zwang

Von Ina Polenthon und Kendall Ernst


Eines der größten Umweltprobleme Chinas ist die Wasserverschmutzung. Von seinen 1,3 Milliarden Einwohnern nehmen 700 Millionen verunreinigtes Trinkwasser zu sich. Fehlende Klärung von Abwasser, insbesondere in urbanen Gebieten, ist Ursache dafür, dass die Anzahl der Krebserkrankungen in China nicht nur bei älteren Menschen, sondern auch bei Kindern drastisch steigt.

Obwohl die chinesische Regierung schon seit mehreren Jahren durch Gesetzgebungen, wie das erst im letzten Jahr beschlossene "Kontrollgesetz zur Verhinderung der Wasserverschmutzung", versucht, Wasserverunreinigungen einzugrenzen, werden Gesetze gerade auf lokaler Ebene oft nicht umgesetzt.

Einer regionalen Umweltschutzorganisation, der Green Anhui, gelang es nun durch eine Aufklärungs- und Medienkampagne, die Produktion dreier industrieller Wasserverschmutzer zu stoppen. Darüber berichtete im Januar 2009 Skye Gilbert, eine ehemalige Praktikantin des China Environment Forum (1), die Recherchen zu Gesundheitsgefährdung durch Wasserverschmutzung für ein USAID-finanziertes (2) Gesundheitsprojekt in China machte. Diese brachten sie unter anderem nach Qiugang, eines von vielen so genannten "Krebsdörfern" in der Provinz Anhui, im Huai-Flusseinzugsgebiet.

In nur zweieinhalb Jahren, zwischen 2003 und 2006, gab es in Qiugang, einem Dorf mit 2.000 Einwohnern, 53 Todesfälle - verursacht durch Krebs. Grund dafür waren die ungeklärten Abwässer dreier Fabriken am Baojiagou, einem Nebenfluss des Huai. Die Dorfbewohner Qiugangs wussten zwar, wer Verursacher der Verfärbungen im Flusswasser war, konnten jedoch keinen Zusammenhang zwischen der steigenden Anzahl der Krankheitsfälle im Dorf und der Verschmutzung des Flusswassers erkennen.

Die hohe Anzahl der wasserinduzierten Erkrankungen und Todesfälle und der extremen Wasserverschmutzung im Huai-Einzugsgebiet veranlasste 2006 Green Anhui, die erste gemeinnützige Umweltschutzorganisation in der Provinz Anhui, sich für die Verbesserung der Wasserqualität im Flusseinzugsgebiet und die Rechte der Dorfbewohner einzusetzen, denen sich außer Protestaktionen keine Möglichkeiten boten, politisch Einfluss auf ihre Situation zu nehmen.

Zunächst klärte Green Anhui die Bewohner mit der Unterstützung vieler freiwilliger Helfer über die Zusammenhänge der Verschmutzungen durch die Fabriken und ihrer gesundheitlichen Probleme auf. Gleichzeitig sammelte die Umweltschutzorganisation Zeugenaussagen der Dorfbewohner darüber, wie die Wasserverschmutzung zur Zerstörung ihrer Ernte beigetragen hatte, Fischsterben verursachte, ihre Kinder krank machte und hielt durch Fotografien Zeugnisse von sichtbaren Gesundheitsschädigungen fest. Schließlich arbeiteten die Dorfbewohner zusammen mit Green Anhui eine Petition aus, in der die Gesetzesverstöße der Fabriken und ihre gesundheitlichen Folgen dargelegt wurden. Im März des Jahres 2007 wurde die Petition von allen Einwohnern Qiugangs unterzeichnet und dem lokalen Umweltschutzbüro in Bengbu überreicht. Als das Büro jedoch jeglichen Gesetzesverstoß der Fabriken leugnete, nutzte Green Anhui seine Medienkontakte und veröffentlichte einen Artikel auf der Titelseite der bekanntesten und meist gelesenen Zeitung der Provinz.

Einige Zeit später gab das lokale Umweltschutzbüro im regionalen Fernsehen zu, dass die Beschwerden der Dorfbewohner nicht unberechtigt seien und erließ für zwei der drei Fabriken Bußgelder in Höhe von umgerechnet etwa 15.000 Euro. Die dritte Fabrik wurde lediglich ermahnt, ihre Abwassereinleitungen in den Huai zu reduzieren. Da die Maßnahmen des lokalen Umweltbüros den Forderungen der Einwohner von Qiugang bei weitem nicht gerecht wurden, übte es mit Green Anhuis Hilfe weiter öffentlichen Druck aus, bis wenig später das Ministerium für Umweltschutz auf die Situation der Dorfbewohner aufmerksam wurde und anordnete, alle drei Fabriken schließen zu lassen.

Weil jedoch das Ministerium im Gegensatz zur lokalen Umweltschutzbehörde keine rechtliche Ermächtigung besaß, die Fabriken schließen zu lassen, machte es sich die erst kürzlich in Kraft getretene "Green Credit Policy" zu Nutze. Dieses seit 2007 geltende Umweltschutzgesetz - erarbeitet vom Ministerium für Umweltschutz und der chinesischen Volksbank in Zusammenarbeit mit der Weltbank - ermöglicht es Unternehmen, die gegen das Umweltschutzgesetz verstoßen, Kredite aufzunehmen und so in umweltfreundliche Produktionstechnologien zu investieren.

Ende 2008 konnte so schließlich die letzte Fabrik geschlossen, in ein unbesiedeltes Industriegebiet verlegt und mit einer Abwasserkläranlage ausgestattet werden.

Das Medieninteresse an dem "kleinen Sieg" des Dorfes Qiugang und Green Anhui gegen die Fabriken war mittlerweile so groß, dass allein in der Provinz Anhui fünf Zeitungen über den erfolgreichen Kampf von "David gegen Goliath" berichteten und somit vielen Menschen Hoffnung auf weitere Erfolge gemacht werden konnte.

(1) China Environment Forum - eine seit 1997 agierende Initiative, die den Dialog zwischen US-amerikanischen und chinesischen Studenten, politischen Entscheidungsträgern, Unternehmen, Nicht-Regierungs-Organisationen aus den Bereichen Umwelt und Energie fördert

(2) USAID - die für Entwicklungszusammenarbeit zuständige Regierungsbehörde in den USA


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Quelle:
DER RABE RALF - 20. Jahrgang, Nr. 152, Oktober/November 09, S. 17
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 230, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Oktober 2009