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BERICHT/072: Irmgard Krön - Selfmade-Nomadin (welt der frau)


welt der frau 7-8/2008 - Die österreichische Frauenzeitschrift

Selfmade-Nomadin

Von Ulrike Guggenberger


Die junge Salzburgerin Irmgard Krön verbringt die meiste Zeit ihres Lebens mit Reisen durch die Welt. Eine moderne Nomadin erzählt, wie sie sich selbst versteht und was sie auf ihren Streifzügen erlebt.


Regelmäßige Kontakte oder banges Warten auf eine überfällige Mail-Nachricht folgen unvorhersehbar aufeinander, lange Abwesenheiten in weitester Ferne und nahes Beieinandersein lösen sich ab. Wenn Irmgards Eltern von ihrer erwachsenen Tochter erzählen, bin ich fasziniert und gleichzeitig schüttle ich den Kopf. Irmgard Krön, 1975 als Jüngste nach zwei Brüdern in Salzburg geboren, nennt als Berufsbezeichnung "Ergotherapeutin", oder, je nach Aufenthaltsort, "Nomadin". Um besser zu verstehen, wollte ich von Irmgard selbst mehr über ihre Beweggründe und Erlebnisse erfahren. Ihr derzeitiger Aufenthalt in Salzburg ergab die Gelegenheit dazu.


WELT DER FRAU: Irmgard, du verschwindest für jeweils unbestimmte Zeit in relativ unberührte Gegenden dieser Erde, kehrst dann wieder für einige Monate ins zivilisierte Salzburg zurück. Wie kommst du zu dieser ungewöhnlichen Lebensgestaltung?

IRMGARD KRÖN: Nach der Matura in Salzburg fragte ich mich: Was will ich jetzt mit meinem Leben machen, einen Beruf ergreifen und Familie gründen? Die Antwort, die ich damals mit 18 Jahren fand, war: "Für länger wegfahren." Ich war dann ein Jahr als Au-pair-Kindermädchen in Amerika. Danach beendete ich meine Ausbildung zur Ergotherapeutin.

So richtig los ging es dann aber 2000 in Australien. Zunächst erkundete ich die Gegend auf eigene Faust. Später lernte ich Leute kennen, die so ganz anders unterwegs waren, als ich es bisher erlebt hatte. Sie zogen mit Bussen ungebunden, ohne festen Aufenthalt durch das Land, wohnten in Tipis und verkauften auf Märkten verschiedenste Dinge oder machten Gelegenheitsarbeiten. Davon lebten sie und bestritten damit auch ihre Reisekosten. Diese freie Szene inspirierte mich und ich lernte ebenfalls, Tipis herzustellen. Eineinhalb Jahre später, wieder in Österreich, zog ich mich dann für einen Sommer als Sennerin auf eine Bergalm zurück. Ich wollte lernen, "aus freien Stücken allein und glücklich zu sein". Ich brauchte einfach auch eine Auszeit, um das in Australien Erlebte zu verdauen.

WELT DER FRAU: Was steckt hinter diesem starken Wunsch, so durch die Welt zu vagabundieren?

IRMGARD KRÖN: Das Interesse, andere Kulturen kennenzulernen, die Suche nach mehr Ursprünglichkeit und die Faszination Natur. Wenn ich so (allein) unterwegs bin, lebe ich überwiegend im Freien. Ich bin den elementaren Kräften der Natur absolut ausgeliefert. Ich mache mir Feuer zum Kochen und sorge ganz allein für mein Überleben fernab der zivilisatorischen Errungenschaften. Dieses Gefühl einer weitgehenden Unabhängigkeit von äußeren Bedingungen empfinde ich als schön.

WELT DER FRAU: Hast du keine Angst, wenn du zum Beispiel im Urwald allein unterwegs bist?

IRMGARD KRÖN: Einerseits ja. Es ist einem doch ziemlich mulmig allein im Wald. Aus der Konfrontation mit der Umgebung aber lerne ich, meine verschiedensten Ängste zu überwinden. Schließlich wirst du selbstbewusster und lernst, selbstsicher mit unerwarteten Situationen umzugehen.

Du erlebst dich selbst in der Natur ungezwungener. In der Zivilisation ist die Beeinflussung durch andere Menschen viel stärker. Ich mache mir bewusst, dass ich da wie dort eine Zuschauerin meiner eigenen Szenerie und auch Teil des Ganzen bin. In freier Natur ist das um vieles einfacher.

WELT DER FRAU: Worin liegt die Befriedigung, das Glücksgefühl für dich, dass du derartige Strapazen auf dich nimmst?

IRMGARD KRÖN: Um den Sonnenaufgang in der absoluten Wildnis zu erleben, muss man vorher die kalte Nacht in Kauf nehmen. In solchen Augenblicken brennt so etwas wie ein inneres Feuer, das geht mir in der Zivilisation ab.

WELT DER FRAU: Du kommst immer wieder einmal für ein halbes Jahr nach Hause zurück. Wovon lebst du hier?

IRMGARD KRÖN: So ein Ausflug in die Zivilisation ist auch sehr entspannend. In der Nacht ohne Angst auf die Toilette gehen zu können, jederzeit warmes Wasser zu haben, ist zwischendurch sehr angenehm. Aber nach einer gewissen Zeit möchte ich mein Nomadenleben wieder aufnehmen. Wenn ich in Salzburg bin, arbeite ich als mobile Altenbetreuerin.

WELT DER FRAU: Du hast einmal längere Zeit in Costa Rica gelebt.

IRMGARD KRÖN: Wir fanden uns als Gruppe und lebten am Rande des Urwalds in einem gemieteten Haus. An einem Abend in der Woche boten wir im Restaurant des nahe liegenden Dorfes selbst gekochtes vegetarisches Essen für Touristen an. Anschließend gab es quasi Naturromantik: Musik, Feuertanz, Jonglieren und ähnliche Darbietungen. Wir stellten auch einfache Kunstgegenstände her, die wir verkauften. Die Vorbereitung beanspruchte zwei Tage, für den Rest der Woche hausten wir ungebunden in der Natur. Wir verdienten das Geld gemeinsam und gaben es wieder gemeinsam aus. Nach eineinhalb Jahren änderte sich die äußere Situation, wir sind aber bis heute in Verbindung. Natürlich kann ich nicht ganz aus der Zivilisation aussteigen, aber an einem distanzierten Umgang damit liegt mir enorm viel. Ich zog auch mal mit anderen Reisenden mit Pferden und Satteltasche über die Grenze nach Nicaragua.

WELT DER FRAU: Geht es dir immer gut, bist du nie krank?

IRMGARD KRÖN: Eigentlich habe ich keine größeren Probleme. Ich erlebe mich als sehr eigenständig und autonom. Noch war ich nie ernsthaft krank. Manchmal habe ich Geldsorgen. Ich bin legal unterwegs, wenn mein Visum in einem Land ausläuft, reise ich aus und dann wieder ein.

Auf meinen Reisen denke ich viel über meine Lebensfragen nach: Wer bin ich, was will ich in diesem Leben? Ich beschäftige mich mit spirituellen Gedanken. Gibt es eine göttliche Kraft, sind wir eins mit dieser Kraft, wie kann ich das im Hier und Jetzt wahrnehmen?

Wenn es mir schlecht geht, schaue ich auf mein kleines Ich und merke: Wir nehmen uns selbst viel zu wichtig im großen Ablauf des Universums. Ich bemühe mich, das bewusst zu erleben.

WELT DER FRAU: Was erfährst du bei den Reisen über dich?

IRMGARD KRÖN: Ich lerne meinen Charakter besser kennen, lerne mit unangenehmen Eigenschaften besser umzugehen, wie beispielsweise in stressigen Situationen Ruhe zu bewahren. Ich lerne zu unterscheiden, wann ich agieren muss, wann ich Ungerechtigkeiten ansprechen muss.

Ich entwickle ein starkes Urvertrauen, wenn ich erlebe, dass es auch in schwierigen, scheinbar aussichtslosen Situationen immer wieder weitergeht. Wenn ich innerlich anstehe und nicht mehr weiterweiß, sage ich mir: "Bitte Leben, gib mir einen Hinweis." Diese Hinweise sehe ich in alltäglichen äußeren Ereignissen wie auch im Hineinspüren und Wahrnehmen der eigenen Gefühle und Gedanken. Es gibt viele Wege, die ich gehen kann. Beim Reisen kann man sich einfach herrlich treiben lassen, ungeplant die Tage genießen und sich so viel Zeit nehmen, wie man möchte.

Jedes Land besitzt eine andere spirituelle Atmosphäre, diese wahrzunehmen und sich in ihr treiben zu lassen ist wunderschön. In Indien liegt das Thema Meditation in der Luft.

WELT DER FRAU: Du warst auch in der Türkei?

IRMGARD KRÖN: Ja. Ich liebte die Straßenkultur und die Teehäuser. Ich erlebte die patriarchale Kultur und respektierte sie. Es ist klüger, die jeweils vorherrschenden Landessitten einzuhalten. Wir ernährten uns dort von den Einnahmen, die wir mit Straßenmusik verdienten. Wir konnten bei Freunden umsonst wohnen.

WELT DER FRAU: Hattest du jemals ein Problem, dass du als Frau allein unterwegs warst?

IRMGARD KRÖN: Meistens habe ich kein Problem. Aber zum Beispiel sich in Warteschlangen eng an mich zu drücken, damit man sich an mir reiben kann, lasse ich nicht zu. Unmissverständlich erkläre ich, dass hier Abstand eingehalten werden muss. Mein Körper gehört mir! Wenn man das nicht gleich versteht, wiederhole ich es mit kräftiger Stimme so lange, bis alle in weitem Umkreis darüber Bescheid wissen.

Im Laufe meiner Reisejahre, in denen ich ca. 40 Länder besucht habe, habe ich mir unter anderem einen realen Schutzmantel gewebt, den ich mir im dicht bevölkerten öffentlichen Raum umwerfe. Er dient hauptsächlich dazu, fremde Männer fernzuhalten und dabei fröhlich und gelassen zu bleiben. Wenn es die Situation verlangt, kann ich mich auch ungeniert in eine Art Feuerdrachen verwandeln. Es hat eine gute Zeit gebraucht, bis ich mir erlaubt habe, den Drachen ohne schlechtes Gewissen fliegen zu lassen - schließlich muss Frau ja gehorsam, artig und brav sein.

Ich erlebe die Welt als männlich dominiert. Die Gottheiten in den meisten Religionen sind symbolhaft männlich dargestellt und viele Erzählungen berichten von männlichen Erleuchteten und Heiligen. Da fragt sich Frau, wie sich das im Unterbewusstsein auf die Menschen auswirkt und ob da nicht ein paar Geschichten fehlen.

Meine Bitten und Gebete lauten oft: Gib den Frauen Mut und Kraft, einen Schritt nach vorne zu tun, und gib den Männern Mut und Einsicht, einen Schritt zurück zu machen, damit wieder ein harmonisches Gleichgewicht auf Erden und in der Götterwelt einziehen kann.

Die Männer bitte ich um Verständnis, wenn sich Frau manchmal etwas laut oder sogar wütend emanzipiert. Schließlich ist die Welt der Frau Tausende Jahre unterdrückt worden, was sich - Göttin sei Dank - langsam, aber doch verändert.

WELT DER FRAU: Wie kommen deine Eltern mit deiner Lebensführung zurecht?

IRMGARD KRÖN: Schulabschluss, Führerschein und Ausbildung habe ich. Ich kann arbeiten und selbstständig meinen Alltag organisieren. Ich bezeichne mich als erwachsen. Wir drei Kinder sind von den Eltern sehr frei erzogen worden. Es ist meine Sache, wie ich lebe. Sie sagen: "Bist du glücklich, sind wir es auch." Ich verstehe mich ganz gut mit meinen Eltern und wenn ich in Salzburg bin, wohne ich während dieser Zeit mit ihnen zusammen. Ich schätze das sehr und bin ihnen dankbar, dass sie mir keinen Druck machen.

WELT DER FRAU: Wie stellst du dir die Zukunft vor?

IRMGARD KRÖN: Glücklich sein! Wo, mit wem und unter welchen Umständen versuche ich so offen wie möglich zu halten. Kinderwünsche habe ich keine, da ich mich dieser Verantwortung und Bindung nicht aussetzen will. Einmal sesshaft zu werden ist auch möglich. Ich glaube, wenn dieser Wunsch groß wird, dann wird sich das passende Örtchen bestimmt finden.


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Quelle:
welt der frau - Die österreichische Frauenzeitschrift,
Ausgabe 7-8/2008, Seite 46-48
mit freundlicher Genehmigung der Redaktion und der Autorin
Herausgeberin: Katholische Frauenbewegung Österreichs
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. August 2008